US-Wahl: “ESG” weiter unter Druck

Was der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump von Klimawandel hält, ist wegehend bekannt. Nämlich nichts. In diesem Sinne wettert seit geraumer Zeit ein Teil des republikanischen Lagers gegen das Akronym “ESG” und seine Implikationen – ohne nachvollziehbare wissenschaftliche Belegung. Aber nicht ohne Folgen: “ESG” ist in den USA wie verbannt, wird es doch mit “Woke-Capitalism” gleichgesetzt und als unpatriotisch konnotiert. Kaum ein US-Konzern betont noch hierin einen Schwerpunkt zu setzen. Man übt sich in Vorsicht.

Dahinter stecken sehr US-amerikanische Denkweisen, die in Europa nicht immer nachvollziehbar sind. Der Druck auf Unternehmen sich für “ESG”-Ziele einzusetzen kommt aus der Investorenszene. Mega-Assetmanager wie Blackrock oder Vanguard verfolgen “ESG”-relevante Ziele. Sie haben analog zur EU die Wichtigkeit erkannt und “ESG” in ihre Investment-Anforderungen eingebaut. Ihnen folgen MIlliarden Dollar, die jeder gerne hätte. Doch die Ethik ist zuweilen anders. Umwelt- und Sozialthemen haben in den USA traditionell weniger Gewicht. Hinzu kommt ein Grundsatzproblem: Stark wettbewerbsorientierte Märkte, wie die USA, stellen gern kurzfristige Gewinne über langfristige Nachhaltigkeitsziele. “ESG” erscheint hier weniger wichtig. Im Gegensatz zur EU fehlen in den USA regulatorische Anreize: Strenge EU-Vorschriften zwingen die europäischen Unternehmen in “ESG”-Standards. Der transatlantische Markt setzt noch auf Freiwilligkeit. Kritiker im Wahlkampfmodus hinterfragen die Investitionsstrategie der großen Assetmanager und stellen sie an den öffentlichen Pranger. Insbesondere zielen sie auf den Erhalt von Arbeitsplätzen in den Bundesstaaten oder eine grundsätzliche “amerikanische” Priorisierung von Unternehmensentwicklungszielen – diese müssen nicht zwingend auch “ESG”-konform sein.

Fakt ist, in den USA gab es seit 2022 einen deutlichen Rückgang bei nachhaltigen Anlagen. Im vergangenen Jahr wurde mehr Geld aus nachhaltigen Fonds abgezogen, als hineinfloss. Ein möglicher Faktor ist eben die Politisierung nachhaltiger Investments, die sich auf das Verhalten der US-Anleger auswirkt. In Europa ist es anderherum, hier fließt weiterhin netto-positiv (amerikanisches) Geld in Nachhaltigkeits-Töpfe. Der Top-Down-Ansatz der EU durch staatliche Regulierung insbesondere die Nachhaltigkeit zu beschleunigen, scheint glaubwürdig und attraktiv. Auch wenn eine CSDDD (Lieferketten-Richtlinie) vorerst auf Eis liegt.

Einigkeit besteht jedenfalls in den USA und Europa, dass das politische Umfeld “ESG” höchstens partiell bremsen kann. Zu wichtig und vielfältig sind die Anforderungen an Umwelt, Soziales und gute Governance. Gleichzeitig kann die Verlangsamung in den USA ein Vorteil für die Transformation in Europa sein. Eine Chance. Doch auch Trump hat in der Vergangenheit eine gewisse politische Flexibilität an den Tag gelegt, die nicht jede Hoffnung auf ein Aufrechterhalten von bisherigen “ESG”-Meilensteinen schwinden lässt.

Im Börsen-Kurier Nr. 10 am 07. März 2024 veröffentlicht von:

Florian Beckermann

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