Streit um EU-Provisionsverbot: Droht “Beratungslücke”?

Die Vermögensberatung von Finanzdienstleistern und Banken ist seit längerem unter EU-Beobachtung. Es geht um die Beratungsvergütung und den Streit zwischen zwei Modellen: Einerseits um die Vergütung auf Provisionsbasis, ein bekanntes Schema in Österreich. Andererseits um ein Modell auf Honorarbasis, wie es in einigen EU-Ländern bereits Pflicht ist. Das dahinterliegende Ziel: Unabhängigkeit der Beratung und Kostentransparenz für den Anleger – eine langjährige Forderung vieler Anlegerschutzorganisationen.

Die EU-Kommission hatte bereits vor Jahren reagiert und einige Effizienzerhebungen durchführen lassen. Ergebnis: Allgemein sind provisionsbasierte Vergütungsmodelle der Vermögensberatung für den Anleger nachteilig, heißt teurer oder weniger Leistung – ein verbesserungswürdiger Zustand für die irische Wettberwerbskommissarin Mairead McGuinness. Sie liebäugelt mit einem Verbot des provisionsbasierten Geschäfts und drängt auf die rasche Umsetzung. Dagegen geistert das Schlagwort “Beratungslücke” umher. Würde man das provisionsbasierte Geschäft verbieten, blieben für Anleger nur die hierzulande seltenen Honorarberater übrig. Es entstünde eine nachteilige Lücke in der Beratung für Anlagefragen. Der Beratungssektor schwankt und sucht nach einer einfachen Zukunft. Die Beibehaltung des Modells oder lange Übergangsfristen wären natürlich prima.

In Zeiten wie Inflation und ESG-Investment ist eine nachhaltige Vermögensberatung wichtiger denn je. Insbesondere für Anleger, die nicht über genug Kenntnisse verfügen. Doch was passiert? Vielfach wird die “Beratung” an Robo-Adivser ausgelagert. Eine Beratung sehen darin viele nicht. Sucht der Anleger nun provisionsbasierte Anlageprodukte, erhält er Empfehlungen eines voreingenommenen “Beraters”. Mangels Unabhängigkeit kann man auch hier nicht von Beratung im EU-Sinne sprechen. Folglich kann, wo keine Beratung stattfindet, auch keine “Beratungslücke” entstehen. Mithin gibt es keinen Beleg für die Existenz einer solchen Lücke. Dies zeigen Erhebungen der europäischen Dachorganisation für Anlegerfragen BetterFinance.

So ist die Beratungslücke einstweilen ein Marketing-Gag? Fakt ist, eine vernünftige Vermögensberatung muss etwas kosten. Je nach Qualität wird der Preis nach oben gesetzt werden. Es wird sich ein Industriestandard bilden, dessen Usancen heute noch nicht alle kennen. Mit solchen Unsicherheiten muss eigentlich jeder Unternehmer leben, wohl auch in Zukunft die Vermögensberatungsbranche.

Veröffentlicht im Börsen Kurier am 19. Jänner 2023 von:

Florian Beckermann

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