Unrühmlich: Kapsch und die deutsche PKW-Maut

Wer eine PKW-Maut in Deutschland einführen will, dem bläst viel Gegenwind der Auto-Republik entgegen. Das Heiligtum der Deutschen, die Autobahn, kostenpflichtig für alle, auch für die heimischen Steuerzahler? Das war für die Wahlkampf-CSU 2013 schwerlich zu verkaufen. Schnell wurde das argumentative Bodenturnen gezeigt: Nein, die Kosten der Maut gibt’s für Inländer über die KfZ-Steuer zurück. Schließlich würden dadurch die “Ausländer”, fleißige Missbraucher des deutschen Heiligtums, letztlich die (vorerst) einzigen sein, die diese Maut zahlen. Übrigens, “Infrastrukturabgabe” sollte der Titel sein, ein Businessmodell für Investmentbanken war angedacht. Deutsche Autofahrer löhnen im Ausland ja auch nahezu überall, so der Boulevard. Lkw zahlen in Deutschland übrigens längst eine Maut. Positiv: Wer eine österreichische West-Autobahn mit der deutschen A8 am großen Deutschen Eck vergleicht, versteht sofort, dass der Berliner Fiskus jeden Cent für das Heiligtum bitter nötig hat. Negativ: Bereits ein Jus-Student in den Iden des Europarechts weiß: EU-Ausländerdiskriminierung spielt es so nicht. Dafür ist Ausgeturnteres als ein Purzelbaum nötig.

Doch Verkehrsminister “Super-Audi” Schauer pressierte und die Ausschreibung 2018 gewannt “Autoticket”, ein Zusammenschluss der CTS Eventim und der heimischen Kapsch TrafficCom AG, einer der weltweit erfolgreicheren Anbieter von Mautsystemen mit viel Track-Rekord. Wohlgemerkt: kein deutsches Unternehmen.

Die deutsche Prestige-Lösung der Lkw-Maut hatte seinerzeit keine Medaille errungen, auch Berlin lernt zuweilen. Scheuer überging forsch mögliche Ausstiegskauseln. Ein Milliarden-Auftrag für Kapsch – so schien es. Die EU-Klage kam, die Jahre vergingen. Die juristische Zermalmung der Pkw-Maut war unaufhaltsam und so auch der zu erwartende Gewinn für Kapsch. Eine Blamage für Scheuer formte sich. Die Kapsch-Aktie verhoffte, ohne neue Akzente setzen zu können.

Standen anfangs noch rund 700 Mio€ Schadenersatz im Raum, verpufft das Ende des Schiedsgerichtsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland nun mit einer Zahlung von 243 Mio€ an “Autoticket” schleunigst bei Anlegern der Kapsch. Offenbar eine Exit-Position für einige, ein zu geringer Betrag für andere – aber keine Frage des Anlegerschutzes in Österreich. Weder in Bezug auf das Schiedsgerichtsverfahren und deren Ausgang, noch in der folgenden Bewertung durch Anleger. Kapsch, Element der österreichischen Börsen-Aristokratie, wird auf der Hauptversammlung wie gewöhnlich Anfang September einem Realitätscheck mit belastbaren Zahlen unterworfen. Für manche eine Rettung der Bilanz, für andere ein willkommener Neubeginn nach dem ruhmlosen deutschen Kapitel.

Im Börsen-Kurier Nr. 29 am 26. Juli veröffentlicht von:

Florian Beckermann

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