Russland-Ersatzaktien: Der Raubzug geht weiter – EU in der Defensive

Die Hilferufe von EU-Aktionären reißen nicht ab: Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind Russland-Investments ins Schlingern geraten. Verlierer sind europäische Aktionäre und Investmentfonds-Inhaber. Der Schaden erreicht Milliardenhöhe. Die EU ist untätig. Ein Update.

Viele Anleger haben sich in den vergangenen Jahren – nicht zuletzt aufgrund der guten Beziehungen Österreichs zu Russland – für ein Investment dort entschieden. Das russische Recht erschwerte es jedoch Ausländern, russische Aktien direkt zu halten. Auch wollte kaum ein Investor mit den dortigen Steuergepflogenheiten warm werden. Der internationale Finanzmarkt bediente sich daher Ersatzaktien, genannt “ADR” oder “GDR” (American Depository Receipts, Global Depository Receipts), welche vornehmlich von US-Investmentbanken herausgegeben wurden. Diese Zertifikate erlaubten es wirtschaflich zu partizipieren. Die eigentliche Aktie von beispielsweise Gazprom oder Rosneft, wurde durch das Zertifikat “gespiegelt” und dümpelte auf einem Sammeldepot in Russland dahin, während der Anleger das Zertifikat im Depot hatte.

Mit der Zeitenwende des Krieges haben die US-Banken diese Papiere gekündigt, Sanktionen gaben den Ausschlag. Der Kurs fiel weigehend nahe null. Über einen Umtausch des Zertifikats gegen die russische Original-Aktie wurde im Sommer durch die heimischen Depotbanken informiert. Passiert ist hierbei oft wenig, die Verunsicherung der Anleger ist groß, teilweise Panik. Vereinzelt haben private Anleger diesen Umtausch bewerkstelligen können. Die Realisierungspfade sind nebulös – nicht jedermanns Sache. So droht weiter der völlige Verlust, wenn die russischen Sammeldepots aufgelöst werden.

Ähnlich ist die Lage für Investmentfonds-Inhaber, welche in ihren Fonds russische Ersatzaktien beigemischt haben. Auch diese werden aktuell liquidiert, zu horrenden Kursen. Es profitieren Schnäppchenjäger und Geschäftemacher im Halbschatten.

Hilfe könnte die EU leisten: Die breitgefassten EU-Sanktionen blockieren eine praktische Lösung für Privatanleger. Eine technisch-administrative Adaption wäre von Vorteil. Vielen Anlegern geht es nicht um schnellen Profit oder beschränkte Solidarität mit der Ukraine, sondern um die Möglichkeit das eigene De-Investment selbst bestimmen zu können. Einige Länder haben längst Übung im Sanktions-Duell. Die EU zeigt sich zulasten der eigenen Bürger einstweilen inaktiv. Der IVA hat die Thematik im Juli des vergangenen Jahres den zuständigen EU-Kommissaren nahegebracht. Reakton: Noch keine.

Veröffentlicht im Börsen Kurier am 08. Februar 2023 von:

Florian Beckermann

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