Inflations-Boost: Leitzinsen hinauf

Dies ist ein Weckruf der Sparer. Die Inflationsrate in der Eurozone erreicht die höchsten Werte seit Jahrzehnten. Es passiert eine reale Sparwertvernichtung in Multi-Milliardenhöhe. Die Stichflamme der COVID19-Teuerung wird mit privatem Investitionskapital der Zukunft geboostert. Vor dem offensichtlichen Licht kneifen Zentralbankwirtschaftler der Eurozone die Augen zu. Dabei ist eine Leitzinserhöhung notwendig – je schneller desto besser.

Die Menge der stummen Zinssparer Österreichs ist seit der Finanzkrise leidensfähig. Das sind nun fast 14 Jahre. Wenn überhaupt, gibt‘s Mikro-Zinsen garniert mit einer Kapitalertragsteuer ohne Freibetrag oder Behaltefrist – eine Nulldiät. Von „fetten“ Zinserträgen zu sprechen ist absurd. Der aktuelle Inflations-Booster nimmt das letzte Haar des verhungerten Zinssparers und beraubt den Sparer ganz real. Die Erträge der letzten Jahre eingeschlossen. Aber dessen Hilferuf wird in Frankfurt nicht gehört.

Am Main döst man auf dem Kissen einer aufgeblähten Bilanz und kneift die Augen zu. Das Bilanzkissen ist vollgestopft mit Geld für Billigzinsen. Billiggeld für die Immobilienindustrie und mit bescheidenen Auswirkungen auf die EU-Probleme. Ein Kopfpolster aus Anleihekäufen von Staaten, deren Schuldenlast nur durch mindestens zwei Prozent eigener langfristiger Inflation verringert werden könnte. Anleihen, die sonst kaum jemand kaufen würde. In Summe eine Strategie der Ruhe – gut für die Politik, gut für die Aktienmärkte, gut für die EZB. Eine Strategie, die bis zu den Auswirkungen der COVID19-Pandemie auch nicht ernsthaft herausgefordert wurde – wer ist schon der Sparer in den EU-Wohlstandsnationen?

Alle Teuerungszyklen der Geschichte beschleunigten sich durch Krisen und Kriege, bis zum Crash oder Cut. Mit der Pandemie kommt nun die erste ernsthafte Krisen-bedingte Verteuerung von Waren und Dienstleistungen in der Realwirtschaft. In manchen Sektoren nachvollziehbar – insbesondere eingedenk der vielfältigen Anforderungen an die Nachhaltigkeit. Doch die Energiepreise sind verantwortlich für die Steigerung. Aufgrund der Zusammensetzung der Inflations-Messungs-Baskets reißen sie die Teuerungsrate nach oben. Experten gehen davon aus, dass spätestens Mitte kommenden Jahres ein Einpendeln bei einer zweiprozentigen Inflation erreicht wird. Das wäre wieder die schöne heile Welt auf dem Frankfurter Polster. Doch gerade die Situation in der Ukraine zeigt, dass es ein „träum weiter“ nicht geben wird. Krieg, Energiefragen, Umwelt und eine mögliche, große Korrektur an den Märkten sollten aufwachen lassen. Der hiesige Sparer lebt längst in einem Albtraum. Eine Inflationsspirale ist ein Albtraum für alle. Inflationsbekämpfung ist eines der wichtigsten Ziele der Zentralbank. Leitzinserhöhungen sind ein staubiges, langsames Instrument aus dem Werkzeugkeller der Zentralbank. Es ist an der Zeit, das Haupt zu erheben, das Kissen auszuschütteln und in den Keller hinabzusteigen und die Werkzeuge zu benutzen.

Veröffentlicht im Börsen Kurier am 20. Februar 2022 von:

Florian Beckermann

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