Es geht um die Glaubwürdigkeit des Steuerstaates Österreich

Die Sicherungspfändung einer Villa durch die Republik deutet darauf hin: Wunderwuzzis nutzen jeden steuerlichen Freiraum. “Steueroptimierung” oder “aggressive Steuerplanung” sind hochspezialisierte Dienstleistungen, die dem Normalbürger verwehrt bleiben. Gut bezahlte Berater strukturieren hart am Fiskus vorbei, solange es geht.

Vorweg: Aggressive Steuertricksereien haben bei Unternehmen mit Börsennotiz einen schweren Stand. Die Konzernkonsolidierung, harscher Wettbewerb um die Wirtschaftsprüfung oder die Reputationsgefährdung erschweren einen “Grenzübertritt”.

Doch bei Wühltisch-Unternehmensstrukturen sind das keine Haltepunkte. Und plakativ gesprochen ist der Rest vorstellbar… da werden Unternehmenssitze verlegt, umgegründet, verzögert, geschachtelt, ausgesessen, gestundet, lobbyiert, ausgebremst, usw. solange, bis der letzte vertretbare Cent hinter der “Firewall” einer Privatstiftung oder im Ausland gebunkert ist. Dann kann die Insolvenz kommen. Die Forderungsflut interessiert nur noch den Insolvenzverwalter- oder noch zynischer, es kommt die Eigenverwaltung. Solche Fälle sind der Republik, aber auch den Anlegern und Banken, nicht fremd. Sie sitzen oft im gleichen Boot und ärgern sich. Warum lässt man sowas zu? In den USA wäre es ein politischer Home-Run.

Ob es illegal ist, steht auf einem anderen Blatt. Der Cum-Ex-Skandal in Deutschland zeigt aktuell, wie unnachgiebig den Optimierungs-Beratern der Prozess gemacht wird. Den deutschen Fiskus mit Steuererstattungen um Milliarden zu prellen ist kriminell. Beihilfe dazu ist es auch. Ähnlich geradlinig tendieren auch US-Gerichte, die durchgreifen (können) und Betrugssysteme als solche entlarven. Auch Präventionsmaßnahmen werden politisch zügiger umgesetzt. Es geht um Glaubwürdigkeit des Steuerstaates.

Wunschdenken in Österreich? Der Steuerzahler muss erstmal die Pressefotos aller Volksvertreter mit Wunderwuzzis verdauen – nicht jeder kann das. Hieran spaltet sich eine Gesellschaft. Dann obliegt es auch hierzulande oft einer unterbesetzten Justiz, für Gerechtigkeit zu sorgen. Wenn überhaupt Anklage erhoben wird. Es dauert lange bis ein letztinstanzliches Urteil vorliegt. Eine oftmals untaugliche Aufarbeitung. Steuertricksereien politisch das Handwerk zu legen ist offensichtlich zu viel verlangt.

Nun wird ein fachfremder, parlamentarischer “Cofag”-Untersuchungsausschuss solche Sachverhalte Wahlkampf-rhythmisch umtanzen. Für den Normalbürger hierbei glaubhaft für Fairness zu sorgen, wird nicht gelingen. Dafür fehlt dem U-Ausschuss die fachspezifische Tiefe. Bedauerlich, liegt doch gerade hier viel Aufholbedarf in Sachen Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und Prävention. Ein inhaltliches Interesse an einer Stärkung dieses Vertrauens sollten alle haben.

Im Börsen-Kurier Nr. 1 am 10. Jänner 2024 veröffentlicht von:

Florian Beckermann

1130 Wien, Feldmühlgasse 22
Tel. +43-1-8763343-0
Fax. +43-1-8763343-49
florian.beckermann@iva.or.at