Das Jahr 2023 hat begonnen: Aktionär, zur Abrechnung bitte?

Vielfältige Krisen poltern auch 2023 über uns: Gerade sind wir der Gesundheits- und Demokratiekrise entkommen, zeigt uns die Energiekrise, wie wackelig unsere Systeme sind. Umwelt, Inflation und Zins treiben die Politik vor sich her – ohne einfachen Ausweg. Die Unternehmen zeigen sich erstaunlich stabil, Geld floss – irgendwie. Das neue Jahr wird eine erste Abrechnungswelle bringen. Die Resilienz vieler steht auf einem echten Prüfstand.

Während niedriger Zins und Coronahilfen einen Liquiditätsrausch verursacht haben, ist ein weiterer Rauschzustand nicht erkennbar. Die Abrechnung erfolgt auf Kosten der Aktionäre? Mit der Rücklage für die Krisen der Zeit. Ist das gescheit? Politik und Lobby schielen auf den leichten Gewinn. Mit der Abschöpfungssteuer zeigt man, dass “Meins” und “Deins” jetzt anlassbezogen ausgelegt wird. Wo das Recht dazu mangelt, schafft man sich eines. Viele Aktionäre von heimischen Energiekonzernen haben dem IVA ihren Unmut über diese Steuer kundgetan und fordern eine juristische Überprüfung. Spannend wird diese Sache erstmals auf der EVN-HV Anfang Feber.

Eine andere Art des Abzugs zeigt sich im Umgang mit Aktionärsrechten: Die Nähe zum relativen Großkapital und “geschenkter” Liquidität lässt das aktionärsdemokratische Auge mancher erblinden. Das Eigenkapital der Masse braucht nicht mitreden. Wer die Diskussion um die virtuelle Hauptversammlung verfolgt, fühlt sich bestätigt. Das verbliebene Auge muss sehr kurzsichtig sein! Exemplarisch konnte man Mayr-Melnhof-Karton-AG-CEO Peter Oswald auf der ao. HV Ende Dezember beobachten: Würde er so mit seinem Hauptaktionär umgehen, wäre sein Austro-Top-Gehalt bald futsch. Auch hier erreichten den IVA zweifelnde Aktionärsschreiben.

Fazit: Aktionäre, ein Opfer? Noch nicht. Glücklicherweise gibt es einige Politiker, wie Juristen, die das Konzept von Vertrauen im Kapitalmarkt verstehen. Die verstehen, dass unser Gesellschaftsrecht durch härtere Krisen geformt worden ist und überstanden hat, ebenso das Format der Hauptversammlung. Die EVN macht übrigens eine Präsenz-Hauptversammlung. Mögen anlassbezogene Steuern einen historischen Sündenfall im Populismus-Schmuddel darstellen, rechtfertigt man sich hierzulande gerne dem Verweis auf andere Sünder, anstatt das Richtige (Schwierige) zu tun. Vielleicht hofft der eine oder andere Entscheidungsträger gar auf eine Verfassungsklage, um aus dem Schlamassel herauszukommen.

Veröffentlicht im Börsen Kurier am 12. Jänner 2023 von:

Florian Beckermann

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