Das Format der rein virtuellen Hauptversammlung hat nach dem Ende der Covid19-bedingten Zwangs-Virtualität in Österreich seine Relevanz verloren. Gerade einmal eine Gesellschaft – Frauenthal AG – nutzt diese Art der Versammlung. Was dort geschieht, muss man hinterfragen. So sehr ärgert die Szenerie und die Darstellung des Aktionärs.
Vorab: Es ist kaum nachvollziehbar warum eine Gesellschaft, bei der in den letzten physischen Versammlungen kaum 30 Personen zugegen waren, auf ein virtuelles Format insistiert. Einen Marketing-Zweck kann man ausschließen – mit IT hat Frauenthal nur als Anwender durchaus positive Erfahrung. Ferner mag man sich auch fragen, warum die Einberufung zwei Monate vor der Versammlung erfolgte, wo sonst durchaus kürzere Fristsetzungen üblich sind. Warum der ursprüngliche Hauptversammlungstermin nicht genutzt wurde, ist ähnlich rätselhaft. Es konnte übrigens kein Streubesitzaktionär namhaft gemacht werden, der sich vorab für eine virtuelle Hauptversammlung ausgesprochen hätte. Objektiv betrachtet riecht die Szenerie nach Aktionärsvermeidung.
Doch dies lässt sich nach dem österreichischen Gesetz für virtuelle Hauptversammlungen nicht gänzlich umgehen. Auch wenn dem Aktionär nicht die gleichen Rechte zukommen, wie bei einer Präsenzversammlung – eine der großen Baustellen und signifikanten Rechtsunsicherheiten dieses Formats. Gesetzgeber und Höchstgerichte werden damit irgendwann Arbeit bekommen. Sohin hat das virtuelle Format ein Geschmäckle schlechter Governance …
Konkret: Gerade eine handvoll Aktionäre waren anwesend. Über hundert Interessierte waren eingeloggt (Gruß an die Beraterszene). Die Präsentation war solide. Mit dem Beginn der Diskussion zeigte sich, dass das gesamte Pre-HV-Set-Up ein juristisches Wünsch-Dir-Was blieb. Beispielsweise wurde keine Frage vor dem HV-Tag eingereicht. Die Videoverbindungen kamen zustande oder auch nicht – unzählige Versuche scheiterten, insbesondere bei einem älteren Aktionär. Ein unwürdiges technisches Schauspiel, dass die inhaltliche Tragweite der Aktionärsfragen und Reden massiv erodierte. So etwas ist niemandem zuzumuten. Gerade dann, wenn er auch noch dafür bei seiner Bank und indirekt bei der Gesellschaft dafür zahlt!
Doch dem nicht genug: Unterbrechnungen, vage Antworten, wieder Unterbrechungen usw ziehen jedem Aktionär den Geduldszahn am Bildschirm. Das Warten auf das Abstimmungsergebnis wird zur Laptop-Akku-Challenge. Die Nachvollziehbarkeit einer Abstimmung in Präsenz hat mit der virtuellen Durchführung gar nichts gemein. Wo ist die Transparenz?
Fazit: Frauenthal Kernaktionär und CEO Hannes Winkler hat die Gesellschaft mit fulminanter Management-Cleverness optimiert. Es bleibt offen, warum dieser Erfolg nicht am Kapitalmarkt zur entsprechenden Würdigung reicht. Verstecken muss er ihn keinesfalls. Die HV-Posse wird auch ihm nicht gerecht. Einstweilen steht er noch im Wege, dem Wege der virtuellen Hauptversammlung ins jurisitische Nimmerwiedersehen-Depot.
Im Börsen-Kurier Nr. 34-35 am 20. August 2025 veröffentlicht von:

Florian Beckermann
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