Das „schönste Blumendorf Europas“ Alpbach in Tirol ist alljährliche Heimstätte des gleichnamigen Europäischen Forums. Heuer zum 80. Male trifft sich eine Mixtur aus Wirtschaftsführern, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft. Herausgefordert von 500 jungen Stipendiaten und mehr als 4.000 Besuchern über drei Wochen hinweg zu Diskussion und Austausch – fachübergreifend, offen und zuweilen provokativ. Ein spannendes Format abseits herkömmlicher Konferenzen. Eine organisatorische Mammutleistung von vielen freiwilligen Helfern und Sponsoren.
Was schallt aus Alpbach heraus? Das Motto „RechargeEurope“ bildete einen vielseitigen Reflexionsspielraum, der das Gefühl vieler Teilnehmer für Europa und Österreich etwas Aufladendes tun zu müssen, gut umfasste. So war es kaum verwunderlich, dass das Thema „Sicherheit“ im geopolitischen Kontext einen weiten Raum einnahm. Überschattet und verwoben mit dem globalen Impact „Trump“. Die Politik des US-Präsidenten lieferte unendlichen Stoff für politische und wirtschaftliche Diskussionen. Ihr folgte eine vergebliche (europäische) Suche nach Verständnis – selbst der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz fand kaum rationale Antworten.
So blieb die wichtige Erkenntnis, dass Europa, angesichts seiner Größe und Kraft, durch Einigkeit diese Aufgaben bewältigen kann – ein arbeitsreicher Prozess. Zuletzt vor zehn Jahren war die Unterstützung der Integration der EU innerhalb Bevölkerung so hoch. Eine Chance „endlich den Job zu machen“ (Andreas Treichl). Bundespräsident Alexander van der Bellen setzt dazu einen markigen Motivationssatz, der vielen Teilnehmern im Gedächtnis blieb: „Let‘s keep going“ – im Bezug auf geopolitischen Durchhaltewillen oder den Umweltschutz mag er Recht haben, wirtschaftlich darf man auf Innovation hoffen.
Österreichs globale Wichtigkeit ist übersichtlich. Die heimische Kleinkrämerei überwiegt im Tagesgeschäft. Für junge (und alte) Teilnehmer keine zufriedenstellende Situation, ein typischer Diskussionsbedarf. Kritik: Da hilft es natürlich kaum, wenn sich heimische Politiker in einen Event setzen und diesen nach eigenem Statement aufgrund von „Terminen“ vorzeitig verlassen. Für Frontalkommunikation kommt kaum jemand nach Alpbach. Positiv: Ohne inhaltliche Vernachlässigung, wurde die Situation der Ukraine weniger emotional diskutiert. Eine sinnvolle Entwicklung.
Dieses Jahr fand das Forum erstmalig unter der Führung des ehemaligen Vize-Präsidenten des Europaparlaments Othmar Karas statt, der von Erste-Group-Doyen Treichl den Posten zu Anfang des Jahres übernommen hatte. Während Treichl in der Vergangenheit oft mit Gänsehaut-Reden Stimmung entfachte und durch seine liberale Rationalität begeistern konnte, bringt Karas die Aura des erfahrenen politischen Arbeiters mit – eine Schlüsselqualifikation.
Fazit: Alpbach ist ein Unikum. Es muss immer wieder neu mit Leben gefüllt werden, es muss sich rechnen, darf sich nicht zerfleddern. Insofern ist es Europa ziemlich ähnlich. Da kennt sich Karas aus. Man darf auf 2026 gespannt sein.
Im Börsen-Kurier Nr. 36 am 3. September 2025 veröffentlicht von:

Florian Beckermann
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