Die Fakten sind klar: Mehr Pensionisten stehen weniger Einzahlungsäquivalente gegenüber. Das Pensionssystem funktioniert nicht mehr wie gedacht. Gerade nicht-kapitalgedeckte Rentensysteme wie in Österreich oder Deutschland geraten in ungeheure Schieflage und steuern auf einen Infarkt zu. Der direkte Transfer von Einzahlbeträgen zu den Rentnern schmälert sich rasant. Der Fiskus muss die immer weiter steigende Lücke durch Steuergeld stopfen.
Die peinliche Nicht-Rentenreform unlängst in Deutschland zeigt symptomatisch die Alarmstimmung und die kaum zu argumentierende politische Orientierungsschwäche bei mathematischen Fakten, schlechten Nachrichten und notwendigen Maßnahmen.
„Kann man es sich leisten auf Rente zu gehen?“ lautet die Frage auf europäischem Parkett. Weit mehr als 80 % macht in Österreich die erste Säule, die staatliche Altersvorsorge, aus – ein europäischer Spitzenwert. Eben genau dieses reformbedürftige System. Viele spüren, dass es sich nicht ausgeht. Die Antwort lautet: „Nein“ – gerade angesichts der lokalen Horrorinflation. Die Angst, sich damit auseinanderzusetzen, ist menschlich verständlich. Inaktivität ist aber verantwortungslos. Die zweite Säule der Altersvorsorge ist schwach, die dritte Säule ist politisch torpediert. Mit der Konsequenz, dass jeder Österreicher im Schnitt zwischen 30.000 und 40.000 € auf dem Sparbuch parkt und dort von der Inflation wegfressen lässt – einstweilen zur Freude der Finanzinstitute.
Die Lösungsvorschläge sind einfach und hart. Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Seit Jahrzehnten weiß man, was zu tun ist. Um die Pensionen zukünftig auf einem halbwegs adäquaten Niveau zu halten, muss mehr in das System einfließen. Dazu gibt es einfache Möglichkeiten: 1. Länger arbeiten: längere Arbeitszeiten in Stunden, Wochentagen und Jahren – sinnvoll in der Fachkräftedebatte, sinnlos für harte körperliche Arbeit. 2. Mehr Menschen arbeiten: z.B. kürzere Ausbildungszeiten oder Zuwanderung. 3. Schlicht mehr Einzahlen – was ohnehin durch den Umweg Steuern bereits passiert, mit allen Nachteilen. Man muss kein Wahrsager sein, um schnell festzustellen, dass es sich dann um neue Schulden handelt, die nächste Generationen inklusive Zinsen belasten werden. Keine dieser Möglichkeiten wird große Euphorie in der Bevölkerung auslösen. Kaum jemand wird dafür sein, wenn es einen leichteren Weg gäbe.
Natürlich kann man die Unterdeckung hinnehmen, wenn die zweite und dritte Säule eine entsprechende Stärke hätten (z.B. wie in Dänemark und den Niederlanden). Doch dazu konnte sich Österreichs Politik noch nicht durchringen. Es wäre an der Zeit, die Erkenntnisse aus dem europäischen Projekt der „Savings and Investment Union“ zu nutzen und ein Best-of-Europa zugunsten aller Österreicher zu wagen. Es wäre Therapie vor dem Infarkt des Systems.
Im Börsen-Kurier Nr. 50 am 11. Dezember 2025 veröffentlicht von:
Florian Beckermann
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