Interessenskonflikt im Fall Nexperia: neue Herausforderung für Governance

Aktionäre haben selten Freude mit einem Interessenskonflikt. Dieser entsteht dann, wenn persönliche, wirtschaftliche oder institutionelle Interessen mit den Pflichten gegenüber Kunden, Investoren oder dem Markt kollidieren. In der modernen Finanzwelt ist dies ein strukturelles Problem, das nicht vollständig beseitigt, sondern lediglich offengelegt und reguliert werden kann – selten genug transparent und wahrnehmbar. Der Fall Nexperia verdeutlicht eine neue globale Dimension, die den Regulator noch mehr ins Boot holt.

Staatliche Intervention
Der niederländische Halbleiterhersteller Nexperia hat einen chinesischen Mutterkonzern „Wingtech Technology“. Die niederländische Regierung übernahm unlängst zeitweise die Kontrolle bei Nexperia wegen „schwerwiegender Governance-Mängel“. So soll der CEO unter anderem große Aufträge an eine mit „Wingtech“ verbundene chinesische Wafer-Fabrik vergeben haben, obwohl der tatsächliche Bedarf deutlich geringer war – und zwar in einem Ausmaß, dass dieses „Geschäft“ unternehmensgefährdend war, stellte ein Gericht fest. Solche Vorgänge deuten darauf hin, dass der Eigentümer Entscheidungen traf, die möglicherweise den strategischen Zielen Chinas dienten, etwa durch die Stärkung chinesischer Produktionskapazitäten, Know-how-Transfer und einem „finanziellen Ausräumen“, somit im Widerspruch zu den Interessen der niederländischen Wirtschaftssicherheit standen. Die Regierung sah darin eine potenzielle Gefährdung – mit der Konsequenz, dass die europäische Automobilindustrie, welche auf Nexperia-Chips angewiesen ist, stillstand. Ein mutiger und schädlicher Schritt zugleich. Man stelle sich das in Österreich vor.

Lehren für die Governance
Learnings: Klar ist, die Eigentümerstruktur ist wesentlich für die gelebte Governance. Diese muss international, auch gegenüber Mutterkonzernen, belastbar sein. Interessenskonflikte entstehen nicht nur auf individueller Ebene, sondern können auch geopolitische Dimension haben. Es zeigt sich das Problem moderner Industriepolitik: In einer globalisierten Wirtschaft, in der Eigentum, Produktion und Technologie über Ländergrenzen hinweg verflochten sind, lassen sich Konflikte zwischen wirtschaftlichen, politischen und sicherheitsrelevanten Interessen kaum vermeiden. Wenn klassische Governance wie Transparenz, Offenlegung und ethisch-individuelle Eignung versagt, müssen Staaten dann als Ultima Ratio eingreifen, um nationale Interessen und technologische Unabhängigkeit zu schützen.

Ob Staaten hierzu die nötige Schnelligkeit und Kompetenz haben, darf man hinterfragen. Einstweilen entsteht ein neues juristisches Schlachtfeld mit massiven Eingriffen in die Privatautonomie, auch abseits der Sicherheitspolitik. Die Dialektik dieser Entwicklung kann man sich leicht vorstellen.

Im Börsen-Kurier Nr. 46 am 12. November 2025 veröffentlicht von:

Florian Beckermann

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