Die Szene debattiert erneut über Shortseller: Wie fair spielen sie? Wie fair wird mit ihnen gespielt? Der aktuelle Fall von Fraser Perring gegen den US-Konzern Steward Health Care zeigt exemplarisch den Grenzbereich des „Finanzsmarkts“. Ist eine Grenze überschritten?
Zunächst: Ein Shortseller (Leerverkäufer) ist ein Investor, der auf fallende Kurse spekuliert. Dabei leiht er sich beispielsweise Aktien und verkauft sie sofort zum aktuellen Marktpreis. Sinkt der Kurs wie erwartet, kauft er die Papiere später günstiger zurück. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufpreis stellt den Gewinn dar. Das immense Risiko kann man sich denken. Shortseller sind oft verhasst, weil sie mit fallenden Kursen Geld verdienen und somit vom Misserfolg oder der Krise eines Unternehmens profitieren. Betroffene Unternehmen sehen sie als Parasiten, ja unmoralische Spieler mit dem Untergang.
Zur Schlammschlacht kommt es, wenn Shortseller öffentlich kritische Berichte publizieren, die den Ruf eines Unternehmens schädigen und Panik unter Anlegern auslösen könnten. Legendär ist Michael Burry, der frühzeitig gegen den US-Immobilienmarkt wettete – seine Geschichte wurde im Film „The Big Short“ verfilmt.
Weltweit sorgt aktuell Carson Block von Muddy Water Research, der unter anderem gegen die CPI Property Group (Kernaktionär der CPI Europe) vorging, für Aufregung. Zuletzt auch der Brite Perring mit seiner Analysegesellschaft Viceroy Research, die Wirecard, Steinhoff oder Adler Real Estate avisierte.
Aktuell: Im Jahr 2023 veröffentlichte Viceroy Research Berichte, die den US-Krankenhausbetreiber Steward Health Care und deren größten Anteilseigner Medical Property Trust angriffen. Wenig überraschend führten diese Berichte zu einem juristischen Schlagabtausch. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurde Perring Ziel von Überwachungsmaßnahmen verschiedener Detekteien. Dies beinhaltete unter anderem das Filmen von Perring in seinem Zuhause und das Verfolgen seiner Bewegungen, das Verängstigen seiner Tochter bis zur Einschaltung der Polizei. Grotesk: Es gabe eine öffentliche Äußerung im britischen Unterhaus, in der ein Abgeordneter Perring mit Russland in Verbindung brachte und eine Agetentätigkeit insinuierte. Eine professionelle Desinformationskampagne darf man getrost vermuten. Steward Health Care hat inzwischen Insolvenz angemeldet.
Für viele hat das Unternehmen eine Grenze überschritten. Man darf fragen: Was sind das für Methoden mit Aktionärsgeld? Die meisten Informationen der Shortseller sind öffentlich zugänglich oder beruhen auf validen Whistleblower-Meldungen. Ihre Zusammenfassungen fördern die Aufdeckung von Missständen. Sie zeigen Schwächen auf und helfen mögliche Betrugsfälle aufzudecken – ein Vorgehen, das auch Kleinanleger vor Verlusten schützen kann, auch wenn der Ton nicht immer gefällt. Die europäischen Gerichte, Regulatoren und Parlamentarier sollten fein beobachten, wer Zecke und wer Zange ist, ein Kill-the-Messenger schwingt mit. Wenn Unternehmen aber mit Geheimdienstmethoden arbeiten, um unliebsame Interessengruppen zu bedränen, bewegen sie sich abseits des Kapitalmarkts auf dem Terrain des Halbschattens. Ein innerer Offenbarungseid scheint verortbar.
Im Börsen-Kurier Nr. 26-27 am 02. Juli 2025 veröffentlicht von:

Florian Beckermann
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