Die Entscheidung der Erste Group einen 49%igen Anteil an der Santander Bank Polska für rund 6,8 Mrd€ zu erwerben, sorgte für stark hochgezogene Augenbrauen in der Szene. Was lange erwartet wurde, wird endlich gut? Nicht wenige heigen aber auch Zweifel. Ein kritischer Überblick:
1. Strategische Expansion in einem wachstumsstarken Markt?
Fakt ist, die Erste steigert ihre Präsenz in Zentral- und Osteuropa erheblich. Polen gilt als einer der dynamischsten Bankenmärkte Europas, mit stabiler Wirtschaft und attraktiven Margen. Durch die Beteiligung an der drittgrößten Bank mit rund 7,5 Mio Kunden stärkt sie ihre Position. Ob das starke Wachstum in Polen anhalten wird, ist offen. Der Bankenmarkt ist kompetitiv. Der polnische Regulator beinahe legendär, wenn es um die Wahrung nationaler Interessen gegen ausländische Finanzinstitute geht. Dennoch ist aus strategischer Hinsicht der Schritt nach Warschau unvermeidbar und klares Bekenntnis zur Bankausrichtung.
2. Finanzielle Tragfähigkeit und solide Kapitalbasis?
Die Erste strotzt vor Finanzkraft. Die Finanzierung der Transaktion erfolgt vollständig aus internen Mitteln, unterstützt durch die Streichung eines geplanten Aktienrückkaufprogrammes in Höhe von 700 Mio€ und einem „Eindampfen“ der Dividende. Für Aktionäre kann dies eine traurige Nachricht sein (obwohl der Aktienkurs zunächst sehr positiv reagierte). Warum keine Kapitaleröhung angestrebt und die Dividendenstrategie beibehalten wurde, wird zu Diskussionen führen.
3. Bewertung und Renditeaussichten
Der Kaufpreis entspricht dem 2,2-fachen des materiellen Buchwerts der Santander Bank Polska – nicht billig. Dennoch erwartet man eine Kapitalrendite von etwa 11 % im ersten Jahr nach Abschluss der Transaktion. Einstweilen fehlen noch genaue und aktuelle Bewertungsdaten für eine kritische Analyse. Fraglich ist beispielsweise dennoch, welchen Preis pro Kunde die Erste zahlen wird, bzw. ob, durch die Abgabe von Kunden an die Santander Consumer Bank, diese bisher katastrophale Ratio nicht noch schlechter wird. Ferner dürfte jedem im Erste Management klar sein, dass ein schalgendes CHF-Risiko analog zum RBI-Fiasko in Polen sofortige Konsequenzen zur Folge haben wird. Offensichtlichere Learnings aus den Fehlern der Konkurrenz gibt es nicht.
4. Partnerschaft mit Santander
Trotz des Verkaufs bleibt Santander mit einem Anteil von 13% an der polnischen Bank beteiligt und plant eine strategische Zusammenarbeit im Corporate & Investment Banking, sowie im Zahlungsverkehr. Grundsätzlich eine professionelle Staffelstabübergabe. Dennoch: Die Erste hat – auch ohne die 50%-Schwelle zu überschreiten – die Führung inne. Die Erwartungshaltung richtet sich auf die Kommandos aus Wien. Man fühlt sich an die BCR-Transaktion erinnert. Der damalige Kauf war lang zu verdauen. Das Leben mit Minderheitsaktionären der BCR gehörte dazu.
Fazit: Die Erste stärkt ihre Machtposition in der Zielregion und ihre Kundenbasis erheblich. Strategisch handelt es sich um einen vielfach geforderten Schritt, der sicher positiv zu bewerten ist. Die finanziellen Konditionen klingen dagegen hart. Doch: „Was nichts kostet, ist auch nichts wert?“ Diesem Sinnspruch getreu mag man auf die Qualität hoffen, für die Santander nicht immer gestanden hat.
Und bei aller Diskussion darum, in welchen Regionen man vertreten sein mag, zählt am Ende eines: Profit. Daher werden einige die Frage stellen, wäre die Kaufkraft der Erste Group nicht in Deutschland besser aufgehoben gewesen…
Im Börsen-Kurier Nr. 20 am 15. Mai 2025 veröffentlicht von:

Florian Beckermann
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