IVA Newsletter Nr. 11 / November 2025

BGH zu wirecard: Anlegerschutz geschwächt

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Anleger-Grundsatzfrage geklärt: Aktionäre einer insolventen AG können ihre kapitalmarktrechtlichen Schadenersatzansprüche nicht als einfache Insolvenzforderungen geltend machen. Hintergrund: Im Rahmen der Insolvenz von wirecard meldeten rund 50.000 Aktionäre Schadenersatzforderungen an. Sie machten geltend, die Gesellschaft habe durch falsche Angaben über ihre Vermögenslage zum Erwerb von Aktien verleitet. Die Anleger wollten ihre Schadenersatzansprüche als einfache Insolvenzforderungen behandelt wissen, um an der Verteilung der Insolvenzmasse teilzunehmen. Der BGH wandte sich dagegen: Solche Ansprüche sind mit der Stellung als Aktionär verbunden. Das Gesetz ordnet Forderungen im Rang hinter Insolvenzgläubigern ein, wenn die Forderung hinreichend mit der Beteiligung an der Gesellschaft verknüpft ist. Dies sei vorliegend der Fall. Wird eine Aktie aufgrund von Täuschung erworben, handele es sich wirtschaftlich um eine fehlgeschlagene Investition in die eigene Gesellschaft. Die Anleger gehen auf diesem juristischen Wege folglich leer aus. Der BGH stärkt mit diesem Urteil die Rangordnung des Insolvenzrechts und schwächt die Position des Anlegers. Klassische Insolvenzgläubiger, beispielsweise Banken, sehen ihre Position gestärkt. Die möglicherweise deliktische Haftung der wirecard-Verantwortlichen (Vorstand, Aufsichtsrat, ggf. Wirtschaftsprüfer) rückt noch mehr in den Focus. Das KapMuG-Verfahren wirecard bleibt unberührt, erfährt jedoch eine Aufwertung. 

BACA-Causa: OGH entscheidet über Teilaspekt „Klagsabkauf“   

In dem seit 2006 laufenden UniCredit-Bank Austria Übernahmefall wurde der Teilaspekt „Klagsabkauf“ vom Obersten Gerichtshof (OGH) im Oktober 2025 entschieden. Es ging um die Frage, ob die Gleichbehandlungspflicht unter Aktionären verletzt wird, wenn einer Aktionärin Anfechtungsklagen im Vergleichswege durch die Hauptaktionärin abgekauft werden. Dies verneinte der OGH im gegenständlichen Fall. Gleichwohl stellte der Senat fest: „Im zeitlichen Nahebereich zum Gesellschafterausschluss stattfindende Transaktionen können allerdings – je nach Fallgestaltung – eine Indizwirkung hinsichtlich des Unternehmenswerts entfalten. Dies zu beurteilen ist Gegenstand des Verfahrens zur Überprüfung der Barabfindung. Dieses Verfahren ist im vorliegenden Fall noch nicht abgeschlossen.“ Der OGH verweist damit eindeutig auf die Indizwirkung des Abkaufpreises für die Feststellung der angemessenen Barabfindung.

Anhebung des Investitionsfreibetrages   

Die Bundesregierung hatte angekündigt, den Investitionsfreibetrag vom 1.11.2025 bis 31.12.2026 auf 20 % bzw. 22 % anzuheben. Der Nationalrat hat am 15.10.2025 diese befristete Erhöhung verabschiedet. Die Zustimmung des Bundesrats und die finale Veröffentlichung des Gesetzes stehen noch aus. Mit dem Investitionsfreibetrag können mittels Investitionen die betriebliche Steuerlast gesenkt werden. Der Investitionsfreibetrag kann zusätzlich zur Abschreibung als Betriebsausgabe geltend gemacht werden. Um die Konjunktur zu beleben, wurde im Nationalrat beschlossen, den Investitionsfreibetrag befristet für Investitionen im Zeitraum vom 1. November 2025 bis 31. Dezember 2026 wie folgt zu erhöhen: 20 % (bis dato 10 %) für begünstigte Anschaffungs- und Herstellungskosten des abnutzbaren Anlagevermögens. 22 % (bis dato 15 %) für Investitionen, die dem Bereich der Ökologisierung zuzuordnen sind. An den allgemeinen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Investitionsfreibetrags ändert sich nichts.

EU: Omnibus I Paket nach Problemen im Parlament beschlossen  

Am 13. November 2025 hat das EU-Parlament eine Verhandlungsposition für den Trilog zum Omnibus-1-Paket beschlossen, die auch eine Verschiebung des Inkrafttretens bestimmter Berichtspflichten vorsieht (Stop-the-clock). Das Paket ist ein Vorschlag der EU-Kommission vom Februar 2025 zur Vereinfachung von Nachhaltigkeitsvorschriften wie der CSRD, CSDDD und der EU-Taxonomie. Im Wesentlichen zielt es darauf ab, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu reduzieren. Im Einzelnen: Die Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) wird eingeschränkt, betroffene Unternehmen wären künftig solche mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und über 1,5 Milliarden Euro Jahresumsatz. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird ebenfalls eingeschränkt, die Berichtspflicht wird für die zweite und dritte Welle der berichtspflichtigen Unternehmen um zwei Jahre verschoben (auf Geschäftsjahr 2027 bzw. 2028). Auch die Anforderungen der EU-Taxonomie sollen vereinfacht werden. Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte soll dauerhaft mit begrenzter Sicherheit erfolgen, die Prüfungspflicht für bestimmte Unternehmen entfällt. Das Europäische Parlament hatte den Vorschlag zur Aufnahme von Trilog-Verhandlungen mit der Europäischen Kommission und dem Rat über das Omnibus-I-Paket zuvor abgelehnt.

Squeeze-out: BUWOG und Petro Welt Technologies 

In dem seit 2018 dauernden Verfahren des Gesellschafterausschlusses der BUWOG erging im August 2025 ein Beschluss durch das Handelsgericht Wien. Das Gericht stellte fest, dass die von der Antragsgegnerin angebotene Barabfindung von EUR 29,05 je Stück Aktie nicht angemessen ist. Die Barabfindung wird EUR 36,30 je Aktie zuzüglich Zinsen zwischen zwei und vier Prozent festgesetzt. Dieser Beschluss ist nicht rechtskräftig, das Rekursverfahren ist anhängig. +++ Das im Squeeze-out Verfahren der Petro Welt Technologies (PeWeTe) beauftragte Gremium hat das Handelsgericht im November 2025 davon in Kenntnis gesetzt, dass eine gütliche Einigung nach seiner Ansicht nicht erzielt werden kann. Weitere Informationen folgen. 

ÖVFA-Podiumsdiskussion zum Pensionssystem

Der IVA-Kooperationspartner ÖVFA (Österreichische Vereinigung für Finanzanalyse und Asset-Management) lädt für den 4. Dezember 2025 um 17 Uhr zu einer Podiumsdiskussion des Arbeitskreises ‚Initiative Kapitalmarkt‘ zum Thema „Vorsorge neu denken – Perspektiven für die zweite Säule im Pensionssystem“ in die Säulenhalle der Wiener Börse AG (Wallnerstrasse 8, 1010 Wien) ein. Wir ersuchen um Ihre Anmeldung bis 2. Dezember 2025. Bitte melden Sie sich hier an

In eigener Sache: IVA Praktikum 2026 

Studentische Praktikanten von Mai bis Juni 2026 gesucht! Für die nächste Hauptversammlungssaison 2026 bietet der IVA im Zuge der Initiative YSA Young Shareholders Austria zwei Praktikumsstellen für jeweils Mai und Juni an.
Wir bieten Studenten die Möglichkeit, sich erste praktische Eindrücke von der Börsenhandelswelt, Hauptversammlungen und Aktionärsangelegenheiten zu verschaffen.
Bewerbungen an: anlegerschutz@iva.or.at, z.Hd. Anna Zinner

IVA Mitgliedschaft 2025 – Neue Möglichkeiten

Der IVA lädt seine Leserinnen und Leser dazu ein, sich über unser überarbeitetes Mitgliedschaftsmodell zu informieren, und freut sich über neue Mitglieder. Mehr Informationen und Beitritt finden Sie hier: iva.or.at/iva/mitgliedschaft